
Barbara Stollberg-Rilinger, Dr. phil.
Rektorin des Wissenschaftskollegs, Professorin für Geschichte der Frühen Neuzeit
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Geboren 1955 in Bergisch Gladbach, Deutschland
Studium der Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität zu Köln
Arbeitsvorhaben
Grausamkeit, Disziplin und Verzweiflung: Friedrich Wilhelm I. und der preußische Mythos
Friedrich Wilhelm I., der legendäre preußische „Soldatenkönig“ (1688–1740), traumatisierte seinen Sohn, den späteren König Friedrich „den Großen“, demütigte seine Töchter, verprügelte seine Diener, misstraute seinen Beamten, verabscheute die Gelehrten, verachtete den Adel, mied die Frauen, war legendär geizig und detailversessen, rauchte, trank, fluchte und tobte, hielt aber peinlich auf Sauberkeit, Drill und strengste Frömmigkeit. Sein bizarres Verhalten desavouierte sämtliche Normen und Werte der zeitgenössischen Eliten. Im Europa seiner Zeit galt er deshalb als lächerlicher Tyrann, dessen Macht früher oder später von selbst zusammenbrechen würde. Das war bekanntlich ein Irrtum. Im preußisch-deutschen Nationalmythos des 19. und 20. Jahrhunderts spielte Friedrich Wilhelm I. die Rolle des großen Staats- und Heeresbaumeisters; selbst kritischen Historikern galt er als derjenige, der „das deutsche Volk zum Preußentum erzog“. Daran konnte der Alliierte Kontrollrat nach dem Zweiten Weltkrieg anknüpfen, als er Preußen als „Träger des Militarismus und der Reaktion“ von der Landkarte strich. Derzeit erfreut sich dieser König wieder wachsender Beliebtheit bei der Neuen Rechten.Was mich an dieser bizarren Figur interessiert, ist der radikale Normenwandel, den er einleitete: vom Wandel des Männlichkeitsideals, des körperlichen Habitus und des Kleidungsstils bis hin zum Wandel des Wirtschaftsverhaltens, der Regierungspraxis und der Organisation physischer Gewalt. Wie kam es dazu, dass das, was besorgte Zeitgenossen als Folge einer schweren Affektstörung des Königs betrachteten, nachträglich als genialer Plan erscheinen konnte? An dieser Figur lässt sich exemplarisch beobachten, wie innerhalb kurzer Zeit eine völlig neue historische Erzählung entsteht.
Lektüreempfehlung
Stollberg-Rilinger, Barbara. Des Kaisers alte Kleider: Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches. München: C.H.Beck, 2008. Englisch: The Emperor’s Old Clothes: Constitutional History and the Symbolic Language of the Holy Roman Empire. New York: Berghahn, 2015.
–. Maria Theresia: Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie. München: C.H.Beck, 2017. Englisch: Maria Theresa: The Habsburg Empress in Her Time. Princeton, NJ: Princeton University Press, 2022.
Krischer, André und Barbara Stollberg-Rilinger, Hg. Tyrannen: Eine Geschichte von Caligula bis Putin. München: C.H.Beck, 2022.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Stollberg-Rilinger, Barbara (München, 2022)
Tyrannen : eine Geschichte von Caligula bis Putin
Stollberg-Rilinger, Barbara (Princeton, 2021)
Maria Theresa : the Habsburg empress in her time Maria Theresia
Stollberg-Rilinger, Barbara (Dortmund, 2019)
Geschichte der Frühen Neuzeit : Meyer-Struckmann-Preis 2018: Barbara Stollberg-Rilinger Geschichte der Frühen Neuzeit
Stollberg-Rilinger, Barbara (Princeton, 2018)
The Holy Roman Empire : a short history Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation
Stollberg-Rilinger, Barbara (München, 2018)
Maria Theresia : die Kaiserin in ihrer Zeit : eine Biographie
Stollberg-Rilinger, Barbara (München, 2017)
Maria Theresia : die Kaiserin in ihrer Zeit : eine Biographie
Stollberg-Rilinger, Barbara (London, 2016)
Cultures of decision-making The ... annual lecture ; 2015
Stollberg-Rilinger, Barbara (New York, 2015)
The emperor's old clothes : constitutional history and the symbolic language of the Holy Roman Empire Des Kaisers alte Kleider
Stollberg-Rilinger, Barbara (Würzburg, 2015)
Rituale der Amtseinsetzung : Inaugurationen in verschiedenen Epochen, Kulturen, politischen Systemen und Religionen Religion und Politik ; Band 11
Stollberg-Rilinger, Barbara (2015)
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