
Franziska Neumann, Dr. phil.
Juniorprofessorin für Geschichte der Frühen Neuzeit mit dem Schwerpunkt Urbane Wissenskulturen in vergleichender Perspektive
Technische Universität Braunschweig
Geboren 1986 in Ludwigsfelde, Deutschland
B.A., Geschichte, M.A., Geschichte, Dr. phil., Neuere und Neueste Geschichte, Technische Universität Dresden
Arbeitsvorhaben
Reste und Ressourcen: Abfallregime in London im langen 18. Jahrhundert
Abfall gehörte zum Alltag in einer frühneuzeitlichen Stadt. Allein die täglichen Verrichtungen in Haus und Hof brachten Reste wie Asche, Fäkalien oder Küchenabfälle hervor. Hinzu kamen Abfälle, die in Gewerbe und Handel und nicht zuletzt durch die Omnipräsenz von Tieren anfielen, wie etwa Schlachtreste, Bauschutt oder Mist. Die für sich genommen einfache Feststellung, dass Abfall zum Alltag in einer frühneuzeitlichen Stadt gehörte, steht zugleich quer zu etablierten Forschungspositionen, die sich selten mit Abfall, sondern vor allem mit Recycling beschäftigt haben. Statt das widersprüchliche Verhältnis von Stadt und Abfall auf eine Geschichte des Recyclings zu reduzieren, möchte das geplante Projekt die Ambivalenz von Abfall als Rest und Ressource in den Fokus rücken: Was ist Abfall unter den Bedingungen einer vormodernen, vorindustriellen Gesellschaft? In welche politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen war Abfall eingebettet? Welche Strategien gab es im Umgang mit Abfall? Und schließlich: Welche Werte, Normen und Wissensordnungen prägten den alltäglichen Umgang mit Abfall? Diese Fragen sollen in dem Projekt am Beispiel von London im langen 18. Jahrhundert untersucht werden. Das Buch möchte Abfall auf seinen verschlungenen Wegen durch die Metropole folgen: von den Abfalleimern durch die Straßen und Nachbarschaften bis auf die Deponien in und um London. Aufgrund der Vielzahl von Praktiken, Ordnungsvorstellungen und Diskursen, die mit Abfall verbunden sind, soll Abfall als Sonde dienen, um eine neue Perspektive auf die Herausforderungen des Zusammenlebens in der frühneuzeitlichen Stadt zu werfen. Eine historische Perspektive auf Abfall kann zudem aktuelle Diskussionen bereichern, weniger im Sinne einer Suche nach Vorbildern in der Vergangenheit, sondern vielmehr, um ein differenzierteres Verständnis für das überzeitlich spannungsgeladene Verhältnis von Menschen, Resten und Ressourcen zu erhalten.Lektüreempfehlung
Neumann, Franziska. „The Realm of Cloacina? Excrement in London’s Eighteenth Century Waste Regime.“ German Historical Institute London Bulletin 43, Nr. 2 (2021): 30–56.
—. „Ambivalente Stoffe: Lumpen als Rest und Ressource 18. Jahrhundert.“ Historische Anthropologie 31, Nr. 3 (2023): 365–382.
—. „Vormoderne Recycling-Mentalität? Abfall und Abfallregime im frühneuzeitlichen London.“ Historische Zeitschrift 317, Nr. 1 (2023): 63–94.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Neumann, Franziska (Berlin, 2023)
Vormoderne Recycling-Mentalität? : Abfall und Abfallregime im frühneuzeitlichen London
Neumann, Franziska (London, 2021)
The realm of cloacina? : excrement in London’s eighteenth-century waste regime