Zeitschrift für Ideengeschichte
Exil
Heft II/1 Frühjahr 2008
Staub, Rabinbach, Matthiesen, Stammen, Thimann
In ihrer aktuellen Ausgabe widmet sich die Zeitschrift für Ideengeschichte dem Thema "Exil".
Das Phänomen des Exils ist so alt wie die menschliche Geschichte selbst. Vom babylonischen Exil bis zu den vielfältigen Arten der Vertreibung in der jüngeren Zeit macht es eine Konstante der menschlichen Geschichte aus. Immer gilt, dass sich beim Überschreiten der Grenzen die Gewissheiten und Institutionen auflösen, die gestern noch fest erschienen. Auf diese Weise werden sowohl Herkunftsland wie auch Aufnahmeland zu temporären Erscheinungen: Der Exilant verbleibt in der Hoffnung auf Rückkehr zwischen den Zeiten und Räumen. Gleichzeitig sind es die ansässigen Gesellschaften, die das Exil als Zumutung empfinden, denn von der Perspektive des Exils aus wird immer wieder die Verfassung der Polis selbst hinterfragt.
Diesen Zusammenhängen gehen die Autoren des Themenschwerpunktes „Exil“ in der aktuellen Zeitschrift für Ideengeschichte nach. Neben dem Beitrag zu einer Theorie des Exils, wie sie der Politikwissenschaftler Theo Stammen formuliert, plädiert der Historiker Martial Staub für einen entmystifizierenden Umgang der Geschichtswissenschaften mit dem Phänomen des Exils und im Ausgang davon für ein neues Verständnis politischer Teilhabe. In einer Einzelstudie stellt der in Princeton lehrende Historiker Anson Rabinbach das Exilschicksal des von westlicher wie östlicher Seite als Spion verdächtigten und schließlich Anfang der fünfziger Jahre in Prag hingerichteten tschechisch-deutschen Kommunisten Otto Katz alias André Simone vor. Michael Matthiesen schließlich folgt dem jüdischen Historiker Arnold Berney auf seinem Weg ins Genfer und später Jerusalemer Exil.
Als Archivbeitrag werden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift erstmalig Dokumente aus dem vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach aufbewahrten Nachlass des Schriftstellers Konrad Merz präsentiert, dessen Roman Ein Mensch fällt aus Deutschland von der Kritik nach seinem Erscheinen 1936 als das „erste Emigrantenbuch“ überhaupt gerühmt wurde.
Mit einem Essay-Beitrag von Durs Grünbein präsentiert die Zeitschrift „im ideengeschichtlichen Spiegelkabinett des Literaten“ (FAZ) eine literarisch-philosophische Erkundung auf den Spuren des Philosophen Blaise Pascal, die um die Fragen der Gewissheiten von Denken und Glauben, von wissenschaftlichem Erkennen und mystischer Eingebung kreist.
Zum Thema
Michael Matthiesen, Tim B. Müller, Martial Staub: Zum Thema
Exil
Martial Staub: Im Exil der Geschichte
Anson Rabinbach: Von Hollywood an den Galgen. Die Verfolgung und Ermordung des Otto Katz
Michael Matthiesen: Navigation im Unentschiedenen. Arnold Berney in Genf 1937
Theo Stammen: Exil und Emigration als universalhistorisches Problem
Essay
Durs Grünbein: Der Indianer des Geistes. Bagatellen über das Leben des Philosophen Pascal
Denkbild
Michael Thimann: Die Arbeit des Lesers. Zwei Exlibris des Kunsthistorikers Julius von Schlosser
Archiv
Jan Bürger: Ein Mann, den Hitler nicht erschossen hat. Die Deportationspapiere des Konrad Merz
Konzept & Kritik
Carsten Dutt / Dieter Teichert / Peter König: Die Ideengeschichte und ihre Nachbardisziplinen. Ankündigung eines internationalen Symposiums
Sonja Asal: Literatur und Aufklärung
Erich Kleinschmidt: Universen der Gelehrsamkeit
Daniel Morat: Neues vom Alten. Zwei Biographien zu Ernst Jünger
Joe Paul Kroll: Oswald Spengler an sich selbst
Die Autorinnen und Autoren