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Aber nicht nur das wissenschaftliche Denken zielt auf Wahrheit. Auch außerhalb der Wissenschaften bildet sie einen zentralen Bezugspunkt. Um drei Beispiele zu geben: die Vereidigung einer Zeugin im Strafprozess lässt sie schwören, „die reine Wahrheit gesagt“ zu haben (StPO § 64 (1)); Pilatus ironisiert die Wahrheit, um danach einen Menschen umbringen zu lassen (Joh 18, 38); das Problem der Fake News berührt die Unterscheidung von Wahrheit und Lüge.
Wahrheitsansprüche gehören offenbar insgesamt zur Verfassung des Denkens. Was aber beansprucht das Denken, wenn es Wahrheit beansprucht?
Das Forschungsvorhaben arbeitet an einer Antwort auf diese Frage. Seine Hypothese lautet: die gängige Wendung „[…] ist wahr“ sollten wir ernst nehmen. Diese Wendung aber sagt das Wahrsein von etwas aus. Und vom Wahrsein zu sprechen bedeutet: die Wahrheit als eine Form des Seins zu begreifen. Dadurch erfolgt die Bestimmung der Wahrheit als Ontologie. Wahrheit lässt sich nicht als Wahrheitswert, nicht als Machtgeschehen, nicht als soziale Praxis verstehen. Sie ist als ein Seinsmodus zu begreifen.
Auf diese Weise beabsichtigt das Forschungsprojekt dazu beizutragen, dass etwas Bekanntes – die Formel „[…] ist wahr“ – auch zu etwas Erkanntem wird.
Lektüreempfehlung
Hindrichs, Gunnar. Das Absolute und das Subjekt: Untersuchungen zum Verhältnis von Metaphysik und Nachmetaphysik. 2., durchges. und um ein Nachwort erg. Aufl. Frankfurt/Main: Klostermann, 2011.
–. Die Autonomie des Klangs: Eine Philosophie der Musik. Berlin: Suhrkamp, 2014.
–. Philosophie der Revolution. Berlin: Suhrkamp, 2017.
© Wissenschaftskolleg zu Berlin
2022/2023
Gunnar Hindrichs, Dr. phil.
Professor für Philosophie
Universität Basel
Geboren 1971 in Wegberg, Deutschland
Studium der Philosophie, der Mittleren und Neueren Geschichte und der Musikwissenschaft an den Universitäten Marburg, Tübingen und Heidelberg
Arbeitsvorhaben
Wahrsein
Wahrheit und wissenschaftliches Denken sind eng miteinander verknüpft. Dessen methodische Ordnung zielt auf Verstehenszusammenhänge, die ihre Sache nicht scheinbar, sondern in Wahrheit erfassen. Darum wurden der Begriff der Wahrheit und der Begriff der Wissenschaft stets von Neuem im Bezug aufeinander bestimmt.Aber nicht nur das wissenschaftliche Denken zielt auf Wahrheit. Auch außerhalb der Wissenschaften bildet sie einen zentralen Bezugspunkt. Um drei Beispiele zu geben: die Vereidigung einer Zeugin im Strafprozess lässt sie schwören, „die reine Wahrheit gesagt“ zu haben (StPO § 64 (1)); Pilatus ironisiert die Wahrheit, um danach einen Menschen umbringen zu lassen (Joh 18, 38); das Problem der Fake News berührt die Unterscheidung von Wahrheit und Lüge.
Wahrheitsansprüche gehören offenbar insgesamt zur Verfassung des Denkens. Was aber beansprucht das Denken, wenn es Wahrheit beansprucht?
Das Forschungsvorhaben arbeitet an einer Antwort auf diese Frage. Seine Hypothese lautet: die gängige Wendung „[…] ist wahr“ sollten wir ernst nehmen. Diese Wendung aber sagt das Wahrsein von etwas aus. Und vom Wahrsein zu sprechen bedeutet: die Wahrheit als eine Form des Seins zu begreifen. Dadurch erfolgt die Bestimmung der Wahrheit als Ontologie. Wahrheit lässt sich nicht als Wahrheitswert, nicht als Machtgeschehen, nicht als soziale Praxis verstehen. Sie ist als ein Seinsmodus zu begreifen.
Auf diese Weise beabsichtigt das Forschungsprojekt dazu beizutragen, dass etwas Bekanntes – die Formel „[…] ist wahr“ – auch zu etwas Erkanntem wird.
Lektüreempfehlung
Hindrichs, Gunnar. Das Absolute und das Subjekt: Untersuchungen zum Verhältnis von Metaphysik und Nachmetaphysik. 2., durchges. und um ein Nachwort erg. Aufl. Frankfurt/Main: Klostermann, 2011.
–. Die Autonomie des Klangs: Eine Philosophie der Musik. Berlin: Suhrkamp, 2014.
–. Philosophie der Revolution. Berlin: Suhrkamp, 2017.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Hindrichs, Gunnar (Stuttgart, 2021)
Hindrichs, Gunnar (Basel, 2020)
Der Wille zur Wahrheit und das Wahrsein